Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Reizdarm? Zu oft Fehldiagnose!

Erstellt von r.ehlers am Mittwoch 9. April 2014

Gestern hab ich das Buch der jungen Medizinerin Giulia Enders vorgestellt, die uns den „Darm mit Charme“ auf neue und überraschende Weise vorgestellt und trotz seiner zwangsläufig nicht so attraktiven Ausscheidungen fast symphatisch gemacht hat.

Heute schreibe ich über das Buch, das der erfahrene Internist und Chefarzt der bekannten Habichtswaldklinik in Kassel  und erfolgreicher Autor Dr. med. Volker Schmiedel, geschrieben hat über die Sorgen, die uns der Darm bereitet, wenn er gereizt ist.

Was Amazon in der Bewerbung des Buches schreibt, trifft den Nagel auf den Kopf:

„Der anerkannte Autor vertritt die These, dass die bei Blähungen, Verstopfung etc. getroffene Diagnose „Reizdarm“ oft eine Fehl- bzw. Verlegenheits-Diagnose ist. Fest steht, dass die Darmschleimhaut Ort der Beschwerden ist. Dort helfen aber weder die Apparate der Schulmedizin noch die Mittel der Naturheilkunde, sondern nur die Suche nach den tatsächlichen Ursachen. Hier vermutet der Autor Fettstoffwechselstörungen, Funktionsstörungen der Bauchspeicheldrüse, Galle etc. und fordert für genau diese Probleme eine spezifische Behandlung ein. Mit diesem Buch erhält der geplagte Leser erstmals einen fundierten Wegweiser zur richtigen Diagnose und zu Therapien, die ihm wirklich helfen.“

Ich gebe nachfolgend ein paar Hinweise zum Thema, die für den Leser reichen mögen, der nur einen Überblick über die Problematik sucht. Ich weise ferner darauf hin, dass ein ungemein wichtiger Aspekt für das Verständnis der Krankheit und seine Bekämpfung in dem sonst so guten Buch zu kurz kommt.

Dr. Schmiedel steigt ein in sein Buch mit der wichtigsten Feststellung überhaupt:

„Das Reizdarmsyndrom ist die häufigste Fehldiganose in der heutigen Medizin.“

Laien begnügen sich mit der Feststellung, dass sie „Verdauungsbeschwerden“ hätten. Oder sie dagen: „Ich habe es am Magen“ en und zeigen am Oberbauch dorthin, wo sie meinen, dass der Magen läge, in Wahheit aber der Darm liegt.Der Facharzt für Allgemeinmedizin (Hausarzt), der Internist und auch der auf den Verdauungskanal spezailisierte Gastroenterologe haben viele Wörter für ein- und dieselbe Erscheinung, nämlich Reizdarm, Reizdarmsyndrom (RDS), Colon Irritable, spastisches Kolon und Colica mucosa.In der modernen Medizinwissenschaft spricht man, weil heute alles verienheitlichend Englisch gesagt werden muss, vom „Irritable Bowel-Syndrom (IBS“. Wenn sie, was auch vorkommt, von

funktionellen Darmbeschwerden

reden, versteht sie sogar jeder Patient.

Dass das Reizdarmsyndrom in der ärztlichen Praxis so häufig nicht richtig diagnostiziert wird, liegt daran, dass die Betroffenen mit Beschwerden kommen, die sich genau so auch bei einer Minderleistung der Bauchspeicheldrüse, bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Nahrungsmittelallergien zeigen,

  •  besonders Unwohlgefühle, Schmerzen oder gar Krämpfe im Bauch, die sich nach der Stuhlentlerrung legen, sodass man meint, das Problem sei vorbei, ferner
  • gesteigerter Stuhldrang und häufige Stuhlentleerungen (mehr als dreimal am Tag) ohne das Gefühl entleert zu sein,  zu harter oder zu weicher Stuhl, besonders beim wiederholten Wechsel von Verstopfung und durchfallähnlicher Entleerung.

Nebenbei gesagt: Adolf Hitler litt sein Leben lang unter einem schweren Reizdarm. Das Leiden macht die Betroffenen meist nicht besonders umgänglich. Ottovon Bismarck ging es, wie ich gerade schrieb, nicht besser. Wir sollten unsere „Führer“ gründlich ärztlich untersuchen lassen, bevor wir sie an die Macht lassen!

Blähungen (Flatulenz) können auch auf einen Reizdarm hinweisen. Sie sind aber besonders typisch für Allergien.  Noch typischer sind sie indes für eine Fettverdauungsstörung wegen Störungen der Galle der der Bauchspeicheldrüse, einer Darmentzündung oder wegen der Unverträglichkeit bestimmter Nahrungsmittel. Dr. Schmiedel nennt einen sicheren Indikator für das Vorliegen einer solchen Fettstoffwechselstörung, den jeder neugierige Betroffene selbst testen kann:

„Wenn Sie z.B. eine Fettverdauungsstörung haben und abends fettreich essen, dann ist Ihre Nacht gelaufen. Die Gasproduktion in Ihrem Dam wird Sie kaum zur Ruhe kommen lassen.“

Der Umstand, dass diese  schweren Blähungen aufgrund von Fettstoffwechselstörungen des nachts oder bei einem ruhig verlebten Wochenende oder im Urlaub weggehen, ist ein sicheres Indiz dafür, dass diese Störungen auch psychosomatischer Natur sind. Auch Entspannungsübungen wie das Autogene Training nach Prof. Dr. J.-H. Schulz, die die Beschwerden verringern, zeigen das.

An dieser Stelle erlaube ich mir aber ein kritisches Wort  zu einem wichtigen Komplex des Buches. Er nennt neben anderen Symptomen, die von außen auf den Darm einwirken und ihn reizen genau die, deren Kontrolle nach sicherer Kenntnis der Hormonforscher (Endokrinologen) dem zentralnervösen Wirken des Botenstoffes Serotonin unterliegen:

  • Schlafstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Erschöpfung
  • Angststörungen
  • Depressionen

Er nennt das Reizdarmsyndrom „eine psychosomatische Erkrankung im besten Sinne“ und beruft sich dazu auf die weise Vorausschau von Wilhelm von Humboldt:

„Es wird der Tag kommen, wo die Menschen erkennen, dass ihre Krankheiten mit ihren Gedanken und Gefühlen zusammenhängen.“

Man darf einen solchen Spruch nicht verabsolutieren. Es gibt reihenweise materielle Ursachen für die Entstehung eines chronisch gereizten Darms, wozu gewiss auch die unzureichende Pflege der Darmflora gehört.In einigen Fällen ist es aber allein die fehlende Harmonie in unserem Gemüt, das uns immer wieder auf den Dam schlägt. Zweifellos treten die Symptome wegen psychicher Störungen auch verstärkt auf, wenn andere Ursachen führend sind.

In meinen Jahren als Entwicklungsleiter beim Hersteller der Aminas Vitalkost habe ich mit Tausenden von Menschen gesprochen, die mitteilten, dass sie ein Reizdarmsyndrom hätten. Leider habe ich nicht Buch geführt über die große Zahl der Rückmeldungen über das baldige und endgültige Verschwinden der Reizdarm-Beschwerden nach der Umstellung auf die native Kost.

Muss man denn mehr tun als Zwei und Zwei zusammenzuzählen? Stress ist ein wichtiger Auslöser der reizdarmerkrankung. Stress wird kontrolliert und beherrscht durch die zentralnervöse Ausschüttung des Stresskontrollhormons und „Wohlfühlhormons“ Serotonin. Dieser Botenstoff ist, was allgemein bekannt ist, sehr vielen Menschen haüfig oder gar chronisch knapp. Soll man dann nicht alles tun, was die bessere Verfügung über Serotonin ermöglichen kann?

Beim Autor sind meine Erkenntnisse bis heute nicht angekommen. Er weiß leider noch nichts über die vielen Wege zur körpereigenen Synthese des Botenstffs Serotonin. Dabei hat er sehr wohl erkannt, wie wichtig die serotonerge Reaktion beim „richtigen“ Reizdarm ist, bei dem der Stress den eigentlichen Grund der Störung darstellt (S. 120fff.).  Darum kommte er auch auf Hilfen zu sprechen, die Pharmakologie und Pflanzenheilkunde anbieten, gerade weil sie nicht wissen, wie sie Serotonin dazu bringen können, sich selbst ausreichend im Gehirn zu bilden.

Schmiedel äußert aber wegen der starken Nebenwirkungen zu Recht Bedenken gegen den Einsatz der Serotonin-Wiederaufnahmehmmer (SSRI). Er erwähnt auch das Zwischenprodukt des Serotoninaufbaus 5 HTP ,  das ähnliche Wirkungen hat, aber weniger Nebenwirkungen. Er sieht indessen im Johanniskraut eine vollwertige Alternative zu den SSRI. Recht hat er, dass dieser Stoff die geringsten Nebenwirkungen hat. Die vielen schwer depressiven Menschen, die ich kenne und all das ausprobiert haben, bestätigen allerdins allerdings nicht seine Behauptung der großen Wirksamkeit des Krauts.

Am  Ende verweist der Autor auf neue Pharmaprodukte, die sog. Serotoninatagonisten mit Handelsnamen Tegaserod und Zelmac. Dazu lohnt es, die Kritk auf der schweizerischen Infomed-Seite zu lesen, s.

http://www.infomed.ch/pk_template.php?pkid=281:

Vor vielen Jahren kam ein pharma-kritik-Text zum Schluss, der Nutzen von Medikamenten bei Reizdarmsyndrom sei gering. Allenfalls lohne sich ein Versuch mit einem Flohsamenpräparat (Plantago, z.B. Metamucil®). Eine aktuelle Guideline der britischen Gesellschaft für Gastroenterologie bestätigt diese Beurteilung: Besonders bei Personen mit Obstipation, Bauchschmerzen und Blähungen stelle ein Plantagopräparat eine „nützliche Alternative“ zu Kleie dar. Obwohl verschiedene andere Medikamente gebraucht würden, könnte keines empfohlen werden.Hat sich daran mit der Einführung von Tegaserod etwas geändert? Tegaserod hat offensichtlich eine gewisse abführende Wirkung. Wie oben beschrieben, ergibt die Substanz aber gesamthaft gegenüber dem Placebo einen „therapeutischen Gewinn“ von nur etwa 10%. Bauchschmerzen und Blähungen werden von Tegaserod langfristig nicht sicher besser gelindert als von Placebo. Ob sich dieser Nutzen als praktisch relevant bezeichnen lässt? Die amerikanische Arzneimittelbehörde hat sich jedenfalls bisher noch nicht davon überzeugen lassen; auch in der EU ist das Medikament noch nicht zugelassen.